Der investigative Dokumentarfilm folgt Arbeitsmarktinspektor*innen des Kantons Bern bei ihrer Arbeit. Einfühlsam und unaufgeregt beobachtend, zuweilen auch spannend
wie ein Krimi, fächert er dabei die ganze Breite der Problematik auf: Schwarzarbeiter*innen unterlaufen die Gesetzgebung und bringen damit soziale Errungenschaften wie einen gerechten Mindestlohn
und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in Gefahr. Andererseits werden sie selbst von gewissenlosen Firmen und Arbeitgeber*innen, inländischen und ausländischen, missbraucht und ausgebeutet, sind
sie Opfer globaler wirtschaftlicher und politischer Ränkespiele. Und wenn es zu Strafen kommt, wird vor allem das Leid der sowieso schon Leidtragenden vergrössert. Mit der Begleitung des
Politikers und Gewerkschaftlers Corrado Pardini erörtert der Film sein Thema zusätzlich im Kontext der bilateralen Verhandlungen der Schweiz mit der EU, bei denen der Lohnschutz Teil der
Verhandlungsmasse ist.
Doch der eigentliche Kern von «Schwarzarbeit» liegt in der humanen Dimension, die sich sowohl psychologisch als auch ideologisch zu erkennen gibt. Und diese
Menschlichkeit begegnet uns auf allen Ebenen, in allen Gesprächen, an allen Fronten, bei den Schwarzarbeitenden ebenso wie bei den Inspizierenden. Denn Gesetzesparagrafen sind das eine, ihre
Anwendung im Alltag das andere. Besonders die Kontrolleur*innen bringen dem Filmteam enormes Vertrauen entgegen, was uns unverhoffte und verblüffend offene Einblicke in ihre Gedanken und
Gewissenskonflikte erlaubt. Das Spektrum geht von solchen, die aus Mitgefühl die eigenen Regeln zu ignorieren gewillt sind, bis zum Inspektor, einem ehemaligen Polizisten, der von sich selbst
behauptet, er sei ein "sozialer Tiefflieger mit der Empathie eines Zwiebacks". Nachvollziehbar auch, wenn selbst den wohlgesinnten und verständnisvollen Inspektor*innen im Umgang mit den
Erwischten irgendwann der Geduldsfaden reisst, denn eine gewisse – wenn auch aufgezwungene – Schlitzohrigkeit ist auch bei Letzteren nicht von der Hand zu weisen.
«Schwarzarbeit» ist eine erhellende und scharfsinnige Betrachtung eines lokalen Mikrokosmos, der immer auf eine grosses Ganzes verweist, die so tiefgreifende Themen
wie soziale Gerechtigkeit, Ungleichheit, Solidarität, Gemeinwohl, Freiheit und die Würde des einzelnen auslotet. Sie verhandelt die Zwickmühlen des Sozialstaats und damit die Diskrepanzen
zwischen Recht und Gerechtigkeit, Utopie und Realität, stellt die Bedürfnisse des Individuums denen der Gesellschaft gegenüber. Und das sind zweifelsfrei Sujets, die nicht nur
Schwarzarbeiter*innen und Gesetzeshüter*innen, sondern uns alle etwas angehen.
- Til Brockman